1) Jedes Zeitalter hat eine charakteristische Physiognomie.
Wie jeder Mensch eine Physiognomie hat, nach der man ihn beurteilen
kann; so hat auch jedes Zeitalter eine, die nicht minder
charakteristisch ist. Denn der jedesmalige Zeitgeist gleicht einem scharfen
Ostwinde, der durch Alles hindurchbläst. Daher findet man seine
Spur in allem Thun, Denken, Schreiben, in Musik und Malerei, im
Florieren dieser oder jener Kunst. Allem und jedem drückt er seinen
Stempel auf; daher z. B. das Zeitalter der Phrasen ohne Sinn auch
das der Musiken ohne Melodie und der Formen ohne Zweck und Absicht
sein musste. (
P. II, 482.)
3) Verschiedenes Verhältnis der Werke der Manieristen und der Werke der Genies zu ihrem Zeitalter.
Die manierierten Werke finden zwar bei ihrem Zeitalter lauten Beifall,
sind aber nach wenigen Jahren schon veraltet. (Vergl.
Manier,
Manieristen.) Nur die echten Werke, die Werke der Genies, bleiben
wie die Natur, aus der sie geschöpft sind, ewig jung und stets urkräftig.
Denn sie gehören keinem Zeitalter, sondern der Menschheit
an; und wie sie eben deshalb von ihrem eigenen Zeitalter, welchen
sich anzuschmiegen sie verschmähten, lau aufgenommen und, weil sie die
jedesmalige Verirrung desselben mittelbar und negativ aufdeckten, spät
und ungern anerkannt wurden; so können sie dafür auch nicht veralten.
(
W. I, 278 fg.)