Jetztzeit.
1) Optimismus der Jetztzeit.
In der gegenwärtigen, geistig impotenten und sich durch die Verehrung des Schlechten in jeder Gattung auszeichnenden Periode, — welche sich recht passend mit dem selbstfabrizierten, so prätentiösen, wie kakophonischen WorteJetztzeitbezeichnet, als wäre ihr Jetzt das Jetzt κατ εξοχην, das Jetzt, welches heranzubringen alle andern Jetzt allein dagewesen, — entblöden die Pantheisten sich nicht, zu sagen, das Leben sei, wie sie es nennen,
Selbstzweck. — Wenn dieses unser Dasein der letzte Zweck der Welt wäre; so wäre es der albernste Zweck, der je gesetzt worden, möchten wir nun selbst, oder ein Anderer ihn gesetzt haben. (P. II, 306)
Die Demagogen der
Jetztzeitlegen das dem menschlichen Dasein selbst unzertrennlich anhängende Elend auf freche und lügenhafte Weise den Regierungen zur Last. Sie sind nämlich, als Feinde des Christentums, Optimisten, die Welt ist ihnen
Selbstzweckund daher an sich selbst, d. h. ihrer natürlichen Beschaffenheit nach, ganz vortrefflich eingerichtet, ein rechter Wohnplatz der Glückseligkeit. Die nun hiergegen schreienden kolossalen Übel der Welt schreiben sie gänzlich den Regierungen zu. (P. II, 275.)
2) Charakter- und Geschmacklosigkeit der Jetztzeit.
Die jetzige Zeit trägt, durch Mangel an Originalität, in Bauart, Geräten, Möbeln, Kleidung u. s. w. den Stempel der Charakterlosigkeit. Mit welcher Ehrfurcht wird die Nachwelt unsere im elendsten Rokokostil ausgeführten Paläste und Landhäuser betrachten! — Aber schwerlich wird sie wissen, was sie auf Konterfeien und Daguerrotypen aus den Schuhputzerphysiognomien mit Sokratischen Bärten und aus den Stutzern im Kostüme der Schacherjuden machen soll. Zur durchgängigen Geschmacklosigkeit dieses Zeitalters gehört auch, dass auf den Monumenten, welche man großen Männern errichtet, diese im modernen Kostüme dargestellt werden. (P. II, 482 fg. Vergl. Denkmale.)
Ein lukulentes Beispiel von Last ohne Stütze (den ästhetischen
Forderungen der Baukunst zuwider) bieten die, an den Ecken mancher,
im geschmackvollen Stil der Jetztzeit erbauten Häuser hinausgeschobenen
Erker dem Auge dar. Man sieht nicht, was sie trägt; sie
scheinen zu schweben und beunruhigen das Gemüt. (W. II, 468.)
(Über die Verirrung der Musik der Jetztzeit, s. unter Musik:
Abweg, auf welchem sich die Musik heutigen Tages befindet.)
3) Sprach- und Stilverhunzung der Jetztzeit.
Nie soll man der Kürze des Ausdrucks die Deutlichkeit, geschweige die Grammatik zum Opfer bringen. Den Ausdruck eines Gedankens schwächen, oder gar den Sinn einer Periode verdunkeln, oder verkümmern, um einige Worte weniger hinzusetzen, ist beklagenswerter Unverstand. Gerade Dies aber ist das Treiben jener falschen Kürze, die heut zu Tage im Schwange ist und darin besteht, dass man das Zweckdienliche, ja, das grammatisch, oder logisch Notwendige weglässt. In Deutschland sind die schlechten Skribenten jetziger Zeit von ihr, wie von einer Manie, ergriffen und üben sie mit unglaublichem Unverstand. (P. II, 559 ff. H. 53 ff. W. II, 136 ff.)
Das Leben der
Jetztzeitist eine große Galoppade; in der Literatur gibt sie sich kund als äußerste Flüchtigkeit und Liederlichkeit. (P. II, 577.)