Substanz.
1) Ursprung und wahrer Inhalt des Begriffs der Substanz.
Von dem abstrakten Begriff der Materie als dem Beharrenden im Wechsel der Zustände (vergl. Materie) ist Substanz wieder eine Abstraktion, folglich ein höheres Genus, und ist dadurch entstanden, dass man von dem Begriff der Materie nur das Prädikat der Beharrlichkeit stehen ließ, alle ihre übrigen wesentlichen Eigenschaften, Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Teilbarkeit u. s. w. aber wegdachte. Wie jedes höhere Genus enthält also der Begriff Substanz weniger in sich, als der Begriff Materie; aber er enthält nicht dafür, wie sonst immer das höhere Genus, mehr unter sich, indem er nicht mehrere niedere genera neben der Materie umfasst; sondern diese bleibt die einzige wahre Unterart des Begriffs Substanz, das einzige Nachweisbare, wodurch sein Inhalt realisiert wird und einen Beleg erhält. Der Zweck also, zu welchem sonst die Vernunft durch Abstraktion einen höheren Begriff hervorbringt, nämlich um in ihm mehrere, durch Nebenbestimmungen verschiedene Unterarten zugleich zu denken, hat hier gar nicht Statt; folglich ist jene Abstraktion entweder ganz zwecklos und müßig vorgenommen, oder sie hat eine heimliche Nebenabsicht. Diese tritt nun ans Licht, indem unter dem Begriff Substanz seiner echten Unterart Materie eine zweite (unechte) koordiniert wird, nämlich die immaterielle, einfache, unzerstörbare Substanz, Seele. (W. I, 581—583. P. I, 76. 82. Vergl. auch Genus und Seele.)
Substanz ist ein bloßes Synonym von Materie. (G. 44.)
2) Der Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz.
Der Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz, d. i. der Sempiternität der Materie, ist ein transzendentaler, a priori gewisser. Er ist ein Korollarium des Kausalitätsgesetzes. Er folgt daraus, dass das Gesetz der Kausalität sich nur auf die Zustände der Körper, also auf ihre Ruhe, Bewegung, Form und Qualität bezieht, indem es dem zeitlichen Entstehen und Vergehen derselben vorsteht, keineswegs aber auf das Dasein des Trägers dieser Zustände, als welchem man, eben um seine Exemtion von allem Entstehen und Vergehen auszudrücken, den Namen Substanz erteilt hat. Die Substanz beharrt, d. h. sie kann nicht entstehen, noch vergehen, mithin das in der Welt vorhandene Quantum derselben nie vermehrt, noch vermindert werden. Die Gewissheit, mit der wir dies a priori wissen, entspringt daraus, dass es unserm Verstande an einer Form, das Entstehen oder Vergehen der Materie zu denken, durchaus fehlt, indem das Gesetz der Kausalität, welche die alleinige Form ist, unter der wir überhaupt Veränderungen denken können, doch immer nur auf die Zustände der Körper geht, keineswegs auf das Dasein des Trägers aller Zustände, die Materie. (G. 42—45. W. I, 560 fg. Vergl. auch unter Materie: Die reine Materie und ihre apriorischen Bestimmungen.)3) Der Gegensatz von Substanz und Akzidenz.
Da Substanz identisch ist mit Materie und Materie mit Kausalität überhaupt (vergl. Materie); so kann man sagen: Substanz ist das Wirken in abstrakto aufgefasst, Akzidenz die besondere Art des Wirkens, das Wirken in konkreto. (G. 83.)
Die Materie, als in der Vereinigung von Zeit und Raum bestehend,
muss die widerstreitenden Eigenschaften dieser beiden Faktoren an sich
tragen. Es vereinigt sich also in ihr der bestandlose Fluss der Zeit,
als Wechsel der Akzidenzien auftretend, mit der starren Unbeweglichkeit
des Raums, die sich darstellt als das Beharren der Substanz. (W.
I, 561 und §. 4.)