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Schopenhauers Kosmos

 

 Sein.

1) Das Sein als der allgemeinste Begriff.

Je mehr unter einem Begriff, desto weniger wird in ihm gedacht. Der allgemeinste Begriff, das Sein (d. i. der Infinitiv der Kopula) ist beinahe nichts als ein Wort. (W. II, 68.)

2) Das Sein in der Professorenphilosophie.

Man erwäge, woraus der Inhalt des Infinitivs der Kopula, Sein, hinausläuft. Dieser nun aber ist ein Hauptthema der Professorenphilosophie gegenwärtiger Zeit. Indessen muss man es mit ihnen nicht so genau nehmen; die meisten nämlich wollen damit nichts Anderes, als die materiellen Dinge, die Körperwelt, bezeichnen, welcher sie, als vollkommen unschuldige Realisten, im Grunde ihres Herzens die höchste Realität beilegen. Nun aber so geradezu von den Körpern zu reden scheint ihnen zu vulgär; daher sagen sie das Sein, als welches vornehmer klingt — und denken sich dabei die vor ihnen stehenden Tische und Stühle. (W. II, 115.)

3) Wahrer Inhalt des Begriffs Sein.

Der wahre und ganze Inhalt des Begriffs Sein ist das Ausfüllen der Gegenwart. Da nun diese der Berührungspunkt des Objekts mit dem Subjekt ist (s. Gegenwart), so kommt Beiden das Sein zu, d. h. was ist, erkennt entweder oder wird erkannt. Offenbar ist dieser Begriff empirischen Ursprungs, obwohl der allgemeinste, welchen man aus der Erfahrung abstrahiert hat. (H. 330.)
Sein, vom Objekt gebraucht, heißt nichts weiter als Erscheinen, vorgestellt werden. (H. 197 fg.)

4) Verhältnis des Denkens zum Sein.

(S. unter Anschauung: Verhältnis der Anschauung zum Ding an sich oder zum Realen.)

5) Das aus den Schranken des individuellen Seins entspringende Bedürfnis.

Jeder kann nur Eins sein, hingegen alles Andere erkennen, welche Beschränkung eigentlich das Bedürfnis der Philosophie erzeugt. (W. II, 125. H. 300.)

6) Schrecklichkeit des Seins im Gegensatze zur Erfreulichkeit des Sehens.

Zu sehen sind die Dinge freilich schön; aber sie zu sein ist ganz etwas Anderes. (W. II, 665.)
In der Kindheit sind die Dinge uns viel mehr von der Seite des Sehens, also der Vorstellung, als von der des Seins, welche die des Willens ist, bekannt. Weil nun jene die erfreuliche Seite der Dinge ist, die schreckliche aber (die subjektive des Seins) uns noch unbekannt bleibt, daher die Täuschung des jungen Intellekts über die Wirklichkeit. (P. I, 510 fg.)
Der Normalmensch ist gänzlich auf das Sein verwiesen; das Genie hingegen lebt und webt im Erkennen. Daher, da alle Dinge herrlich zu sehen, aber schrecklich zu sein, der trübe Ernst der gewöhnlichen Leute und dagegen die Heiterkeit auf der Stirn des Genies. (H. 355.)