Selbstschätzung.
Eigentlich ist nicht bloß der größte, sondern der einzig wahre geistige
Schmerz Gefühl seines Unwertes; alle anderen geistigen Leiden
können nicht nur geheilt, sondern auf der Stelle gänzlich aufgehoben
werden durch das höhere Bewusstsein seines Wertes. Wer dessen
recht gewiss ist, kann ganz gelassen sitzen unter Leiden, kann ohne
Freude und ohne Freunde auf sich ruhen. So ein allmächtiger Trost
ist lebhafte Erkenntnis des eigenen Wertes. Umgekehrt kann über
Erkenntnis des eigenen Unwertes nichts auf der Welt je trösten; bloß
verdecken lässt sie sich durch Trug und Gaukeleien, oder betäuben durch
Getümmel, aber beides nicht auf die Dauer. (M. 346.)
Einen Punkt gibt es für jeden Menschen von ausgezeichnetem inneren
Wert, zu welchem gelangt er geborgen ist; dieser Punkt ist der, wo
er innig und völlig klar seinen eigenen Wert erkennt. Und da
Wert immer relativ ist, indem dem Begriff die Bedeutung des Vergleichs
wesentlich ist; so ist dies zugleich der Punkt, wo er den Unwert
der Übrigen erkennt. Nun ist er geborgen; denn die Andern
können ihn nie mehr irreführen; ihr Tun und ihr Meinen wiegt ihm
jetzt leicht; er ist über alle Autorität erhaben, erkennt die Besten für
seine Geistesbrüder und die Menge für bestand- und wesenlose Schatten.
(M. 277.)