Scholastik.
1) Charakter der Scholastik.
Der eigentlich bezeichnende Charakter der Scholastik ist der, dass ihr das oberste Kriterium der Wahrheit die heilige Schrift ist, an welche man demnach von jedem Vernunftschluss immer noch appellieren kann. — Zu ihren Eigentümlichkeiten gehört, dass ihr Vortrag durchgängig polemischen Charakter hat; jede Untersuchung wird bald in eine Kontroverse verwandelt, deren pro et contra neues pro et contra erzeugt. Die verborgene, letzte Wurzel dieser Eigentümlichkeit liegt in dem Widerstreit zwischen Vernunft und Offenbarung. (P. I, 70. H. 325.)
Die Scholastiker, in ihren Klöstern eingesperrt, ohne deutliche Kunde
von der Welt, von der Natur, vom Altertum, allein mit ihrem
Glauben und ihrem Aristoteles, konstruierten eine christlich-aristotelische
Metaphysik. Ihr einziges Bauzeug waren höchst abstrakte Begriffe,
wie ens, substantia, forma u. s. w. Dagegen an Realkenntnis fehlt
es ganz; der Kirchenglaube vertrat die Stelle der wirklichen Welt.
Über ihn philosophierten sie, erklärten ihn, nicht die Welt. (H. 312 fg.
325. W. I, 500.)
Aus den Scholastikern strahlt bisweilen teilweise die völlige Wahrheit
hervor, nur immer wieder verunstaltet und verdunkelt durch die
christlich theistischen Dogmen, denen sie durchaus angepasst werden sollte.
So kämpft in den Scholastikern philosophisches Genie mit tiefgewurzeltem
Vorurteil. (H. 319. 313.)