1) Der Lauf der Literaturgeschichte.
Während in der Weltgeschichte ein halbes Jahrhundert immer für
die Entwicklung beträchtlich ist, so ist hingegen in der Geschichte der
Literatur die selbe Zeit oft für gar keine zu rechnen; man steht noch,
wo man vor fünfzig Jahren gewesen. Denn stümperhafte Versuche gehen
sie nicht an. Dies zu erläutern, denke man sich die Fortschritte der Erkenntnis
beim Menschengeschlechte unter dem Bilde einer Planetenbahn.
Dann lassen sich die Irrwege, auf welche es meistens bald nach jedem
bedeutenden Fortschritte gerät, durch Ptolemäische Epizyklen darstellen,
nach der Durchlaufung eines jeden von welchen es wieder da ist, wo
es vor dem Antritt derselben war. Die großen Köpfe jedoch, welche
wirklich auf jener Planetenbahn das Geschlecht weiterführen, machen
den jedesmaligen Epizyklus nicht mit. Mit diesem Hergang der
Dinge hängt es zusammen, dass wir den wissenschaftlichen, literarischen
und artistischen Zeitgeist ungefähr alle 30 Jahre deklarierten Bankrott
machen sehen. In solcher Zeit nämlich haben alsdann die jedesmaligen
Irrtümer sich so gesteigert, dass sie unter der Last ihrer Absurdität
zusammenstürzen, und zugleich hat die Opposition sich an ihnen gestärkt.
Nun also schlägt es um; oft aber folgt jetzt ein Irrtum in entgegengesetzter
Richtung. Diesen Gang der Dinge in seiner periodischen
Wiederkehr zu zeigen, wäre der rechte pragmatische Stoff der Literaturgeschichte.
(
P. II, 591—593.)
2) Die tragische Seite der Literaturgeschichte.
Eine Darstellung der tragischen Seite der Literaturgeschichte würde
zeigen, wie die verschiedenen Nationen, deren jede ihren höchsten Stolz
in die großen Schriftsteller und Künstler, welche sie aufzuweisen hat,
setzt, diese während ihres Lebens behandelt haben. Sie brächte uns
also jenen endlosen Kampf vor die Augen, den das Gute und Echte
aller Zeiten und Länder gegen das jedes Mal herrschende Verkehrte
und Schlechte zu bestehen hat, das Märtyrertum fast aller wahren
Erleuchter der Menschheit, fast aller großen Meister in jeder Art und
Kunst. (
P. II, 594 fg.)
3) Gegensatz zwischen der politischen und der Literaturgeschichte.
(S.
Geschichte.)
4) Gegen die Monomanie, Literaturgeschichte zu lesen.
Gegen die heut zu Tage herrschende Monomanie, Literaturgeschichte
zu lesen, um von Allem schwätzen zu können, ohne irgend etwas eigentlich
zu kennen, ist eine höchst lesenswerte Stelle in
Lichtenbergs Schriften
(Bd. II, S. 302 der alten Ausgabe) zu empfehlen. (
P. II, 594.)