1) Der Leib als Objekt unter Objekten.
Der Leib ist dem rein erkennenden Subjekt, welches der bedingende
Träger der ganzen Welt als Vorstellung ist, eine Vorstellung wie
jede andere, ein Objekt unter Objekten. Insofern er der Ausgangspunkt
für die Anschauung aller anderen Objekte, also das diese Vermittelnde
ist, lässt er sich als das unmittelbare Objekt bezeichnen,
welcher Ausdruck jedoch nicht so zu verstehen ist, dass er unmittelbar
als Objekt sich darstelle. Denn objektiv, also als Objekt, wird
er, wie alle anderen Objekte, allein mittelbar erkannt, indem er, gleich
allen anderen Objekten, sich im Verstande, oder Gehirn, als erkannte
Ursache subjektiv gegebener Empfindung und eben dadurch objektiv
darstellt; welches nur dadurch geschehen kann, dass seine Teile auf
seine eigenen Sinne wirken, also das Auge den Leib sieht, die Hand
ihn betastet u. s. f., als auf welche Data das Gehirn, oder Verstand
(welches Eins ist), auch ihn, gleich anderen Objekten seiner Gestalt und
Beschaffenheit nach räumlich konstruiert. (
G. 84.
W. I, 6. 13. 22—24; II, 7.)
2) Identität des Leibes und Willens.
Dem Subjekt des Erkennens, welches durch seine Identität mit dem
Leibe als Individuum auftritt, ist dieser Leib auf zwei ganz verschiedene
Weisen gegeben: einmal als Vorstellung in verständiger Anschauung,
als Objekt unter Objekten, und den Gesetzen dieser unterworfen;
sodann aber auch zugleich auf eine ganz andere Weise, nämlich als
jenes Jedem unmittelbar Bekannte, welches das Wort Wille bezeichnet.
Jeder wirkliche Akt seines Willens ist sofort und unausbleiblich auch
eine Bewegung seines Leibes. Der Willensakt und die Aktion des
Leibes sind nicht zwei objektiv erkannte verschiedene Zustände, die das
Band der Kausalität verknüpft, stehen nicht im Verhältnis der Ursache
und Wirkung; sondern sie sind Eines und das Selbe, nur auf zwei
gänzlich verschiedene Weisen gegeben: einmal ganz unmittelbar und
einmal in der Anschauung für den Verstand. Die Aktion des Leibes
ist nichts Anderes, als der objektivierte, d. h. in die Anschauung getretene
Akt des Willens. Dieses gilt von jeder Bewegung des Leibes,
nicht bloß von der willkürlichen, auf Motive, sondern auch von der
unwillkürlichen, auf bloße Reize erfolgenden; ja, der ganze Leib ist
nichts Anderes, als der objektivierte, d. h. zur Vorstellung gewordene
Wille, oder die Objektität des Willens. (
W. I, 119 fg. 126—130;
II, 277. 280—300.
N. 34—54.
P. I, 322.
H. 350.)
Die Identität des Leibes und Willens zeigt sich unter anderem auch
darin, dass jede heftige und übermäßige Bewegung des Willens, d. h.
jeder Affekt, ganz unmittelbar den Leib und dessen inneres Getriebe
erschüttert und den Gang seiner vitalen Funktionen stört. (
W. I, 121.
128.
N. 28.
P. II, 618 fg.)
Der Wille ist nicht, wie der Intellekt, eine Funktion des Leibes;
sondern der Leib ist seine Funktion; daher ist er diesem
ordine
rerum vorgängig, als dessen metaphysisches Substrat, als das Ansich
der Erscheinung desselben. (
W. II, 240.)
3) Verhältnis der physiologischen zu der metaphysischen Erklärung des Leibes.
Von der Entstehung und von der Entwicklung und Erhaltung des
Leibes lässt sich zwar auch ätiologisch eine Rechenschaft geben, welche
eben die Physiologie ist; allein diese erklärt ihr Thema gerade nur so,
wie die Motive das Handeln erklären. So wenig daher die Begründung
der einzelnen Handlung durch das Motiv und die notwendige Folge
derselben aus diesem damit streitet, dass die Handlung überhaupt und
ihrem Wesen nach nur Erscheinung eines an sich selbst grundlosen
Willens ist; eben so wenig tut die physiologische Erklärung der
Funktionen des Leibes der philosophischen Wahrheit Eintrag, dass das
ganze Dasein dieses Leibes und die gesamte Reihe seiner Funktionen
nur die Objektivierung eben jenes Willens ist, der in desselben Leibes
äußerlichen Aktionen nach Maßgabe der Motive erscheint. (
W. I, 128 fg.
Vergl. auch
Ätiologie.)
4) Worauf die Zweckmäßigkeit des Leibes beruht.
Darauf, dass der Leib nichts Anderes ist, als die Erscheinung des
Willens, die Sichtbarwerdung, Objektität des Willens, beruht die
vollkommene Angemessenheit des menschlichen und tierischen Leibes zum
menschlichen und tierischen Willen überhaupt, derjenigen ähnlich, aber
sie weit übertreffend, die ein absichtlich verfertigtes Werkzeug zum
Willen des Verfertigers hat, und dieserhalb erscheinend als Zweckmäßigkeit,
d. i. die teleologische Erklärbarkeit des Leibes. Die Teile
des Leibes müssen deshalb den Hauptbegehrungen, durch welche der
Wille sich manifestiert, vollkommen entsprechen, müssen der sichtbare
Ausdruck derselben sein. Zähne, Schlund und Darmkanal sind der
objektivierte Hunger; die Genitalien der objektivierte Geschlechtstrieb;
die greifenden Hände, die raschen Füße entsprechen dem schon mehr
mittelbaren Streben des Willens, welches sie darstellen. Wie die allgemein
menschliche Form dem allgemein menschlichen Willen, so entspricht
dem individuell modifizierten Willen, dem Charakter des Einzelnen, die
individuelle Korporisation, welche daher durchaus und in allen Teilen
charakteristisch und ausdrucksvoll ist. (
W. I, 129 fg.
H. 350.)
5) Die Erkenntnis unseres eigenen Leibes als Schlüssel zur Erkenntnis des Wesens der Dinge.
Die doppelte, auf zwei völlig heterogene Weisen gegebene Erkenntnis,
welche wir vom Wesen und Wirken unseres eigenen Leibes haben, ist
der Schlüssel zur Erkenntnis des Wesens jeder Erscheinung in der
Natur, da alle Objekte, die nicht unser eigener Leib, daher nicht auf
doppelte Weise, sondern allein als Vorstellungen unserm Bewusstsein
gegeben sind, eben nach Analogie jenes Leibes zu beurteilen sind und
daher anzunehmen ist, dass, wie sie einerseits, ganz so wie er, Vorstellung
und darin mit ihm gleichartig sind, auch andererseits, wenn
man Ihr Dasein als Vorstellung des Subjekts bei Seite setzt, das
dann noch übrig Bleibende seinem ganzen Wesen nach das selbe sein
muss, als was wir an uns Wille nennen. (
W. I, 125. 130 fg.
N. 93.)
6) Kritik des Gegensatzes zwischen Leib und Seele als zweier grundverschiedener Substanzen.
(S.
Seele.)