1) Gegensatz zwischen den Latein Verstehenden und den es Nichtverstehenden.
Der Mensch, welcher kein Latein versteht, gleicht Einem, der sich in
einer schönen Gegend bei nebligem Wetter befindet; sein Horizont ist
äußerst beschränkt. Der Horizont des Lateiners dagegen geht sehr
weit, durch die neueren Jahrhunderte, das Mittelalter, das Altertum. —
Wer kein Latein versteht, gehört zum Volke, auch wenn er ein großer
Virtuose auf der Elektrisiermaschine wäre und das Radikal der Flussspatsäure
im Tiegel hätte. (
P. II, 606.)
2) Wichtigkeit des Lateins als allgemeiner Gelehrtensprache.
Die Abschaffung des Lateinischen als allgemeiner Gelehrtensprache
und die dagegen eingeführte Kleinbürgerei der Nationalliteraturen ist
für die Wissenschaften in Europa ein wahres Unglück gewesen. Zunächst,
weil es nur mittelst der lateinischen Sprache ein allgemeines
europäisches Gelehrtenpublikum gab, an dessen Gesamtheit jedes erscheinende
Buch sich direkt wandte. Nun ist aber die Zahl der eigentlich
denkenden und urteilsfähigen Köpfe in ganz Europa ohnehin schon so
klein, dass, wenn man ihr Forum noch durch Sprachgrenzen zerstückelt und
auseinander reißt, man ihre wohltätige Wirksamkeit unendlich schwächt.
Hieran wird sich bald ein zweiter, noch größerer Nachteil knüpfen:
das Aufhören der Erlernung der alten Sprachen. (
P. II, 521. 576.)
Lateinische Autoren mit deutschen Noten herauszugeben, wie jetzt
geschieht, ist eine Schweinerei und eine Infamie. (
P. II, 521. 606.)
3) Das Lateinschreiben als beste Vorschule zum vollkommenen Ausdruck in der Muttersprache.
Durch das Lateinschreiben allein lernt man die Diktion als ein
Kunstwerk behandeln, dessen Stoff die Sprache ist, welche daher mit
größter Sorgfalt und Behutsamkeit behandelt werden muss. Demnach
richtet sich jetzt eine geschärfte Aufmerksamkeit auf die Bedeutung und
den Wert der Worte, ihrer Zusammenstellung und der grammatikalischen
Formen; man lernt diese genau abwägen und so das kostbare Material
handhaben, welches geeignet ist, dem Ausdruck und der Erhaltung
wertvoller Gedanken zu dienen; man lernt Respekt haben vor der
Sprache, in der man schreibt, so dass man nicht nach Willkür und
Laune mit ihr umspringt, um sie umzumodeln. Ohne diese Vorschule
artet die Schreiberei leicht in bloßes Gewäsche aus. (
P. II, 605 fg.)
4) Gegen das Nachahmen des Stils der Alten beim Lateinschreiben.
Fremden Stil nachahmen heißt eine Maske tragen. Darum gleichen
denn auch die lateinisch schreibenden Schriftsteller, welche den Stil der
Alten nachahmen, doch eigentlich den Masken. Man hört nämlich
wohl was sie sagen, sieht aber nicht dazu auch ihre Physiognomie, den
Stil. Wohl aber sieht man auch diese in den lateinischen Schriften
der Selbstdenker, als welche sich zu jener Nachahmung nicht bequemt
haben, z. B. Skotus Erigena, Petrarca, Bako, Cartesius,
Spinoza, Hobbes u. a. m. (
P. II, 550.)
5) Eigentümlicher Zauber gereimter lateinischer Gedichte.
In keiner Sprache macht der Reim einen so wohlgefälligen und
mächtigen Eindruck, wie in der lateinischen; die mittelalterlichen gereimten
lateinischen Gedichte haben einen eigentümlichen Zauber. Man
muss es daraus erklären, dass die lateinische Sprache ohne allen Vergleich
vollkommener, schöner und edler ist, als irgend eine der neueren, und
nun in dem, eben diesen angehörigen, von ihr selbst aber ursprünglich
verschmähten Putz und Flitter so anmutig einhergeht. (
W. II, 487.)