Hund.
1) Der Hund in Intellektueller Hinsicht.
Den Verstand der oberen Tiere wird Keiner, dem es nicht selbst daran gebricht, in Zweifel ziehen. Aber auch, dass ihre Erkenntnis der Kausalität a priori und nicht bloß aus der Gewohnheit, Dies auf Jenes folgen zu sehen, entsprungen ist, tritt bisweilen unleugbar hervor. Ein ganz junger Hund springt nicht vom Tisch herab, weil er die Wirkung antizipiert. (G. 76. W. I, 28.) Schopenhauer hatte in seinem Schlafzimmer große, bis zur Erde herabreichende Gardinen anbringen lassen, von der Art, die in der Mitte auseinanderfährt, wenn man eine Schnur zieht. Als er nun Dies zum ersten Mal Morgens beim Aufstehen ausführte, stand sein Pudel ganz verwundert da und sah sich aufwärts und seitwärts nach der Ursache des Phänomens um, suchte also die Veränderung, von der er a priori wusste, dass sie als Ursache vorhergegangen sein müsse. (G. 76.)
Das bloß auf das Anschauliche beschränkte Erinnerungsvermögen
der Tiere steigert sich bei den klügsten bis zu einem gewissen Grade
von Phantasie, welche ihm nachhilft und vermöge deren z. B. dem
Hunde das Bild des abwesenden Herrn vorschwebt und Verlangen nach
ihm erregt, daher er ihn bei längerem Ausbleiben überall sucht. Auf
dieser Phantasie beruhen auch seine Träume. (W. II, 64.)
Bei den klügsten Tieren stellt sich schon eine Spur von objektiver,
anteilsloser (vom Dienste des Willens emanzipierter) Auffassung der
Umgebung ein. Hunde bringen es schon bis zum Gaffen. Es macht
sich in ihnen schon das Bedürfnis nach Beschäftigung und somit die
Langeweile fühlbar; daher sie gern spielen, auch wohl sich mit Gaffen
nach den Vorübergehenden unterhalten. (N. 74 fg. P. II, 71.)
Aus der Beschaffenheit des tierischen Intellekts, auf das Gegenwärtige,
Anschauliche beschränkt, hingegen der Abstraktion unfähig zu
sein, erklärt sich das Unvorsätzliche, Unberechnete, Unverstellte ihres
Thuns und Treibens. Sie haben nichts im Hinterhalt. In dieser
Hinsicht verhält sich der Hund zum Menschen, wie ein gläserner zu
einem metallenen Becher, und dies trägt viel bei, ihn uns so wert zu
machen; denn es gewährt uns ein großes Ergötzen, alle unsere Neigungen
und Affekte, die wir so oft verhehlen, in ihm bloß und bar zu Tage
gelegt zu sehen. (W. II, 65. M. 140.)
2) Der Hund in moralischer Hinsicht.
Der Hund ist mit Recht das Symbol der Treue. (P. II, 685.) In Europa gilt es (mit Unrecht) für ein Gräuel, wenn der treue Hund neben der Ruhestätte seines Herrn begraben wird, auf welcher er bisweilen aus einer Treue und Anhänglichkeit, wie sie beim Menschengeschlechte nicht gefunden wird, seinen eigenen Tod abgewartet hat. (E. 240.)
Den Tieren geht zwar die Fähigkeit der Sprache und des Lachens ab.
Jedoch hat des Menschen einziger Freund, der Hund, einen analogen, ihm
allein eigenen und charakteristischen Akt vor allen anderen Tieren
voraus, nämlich das so ausdrucksvolle, wohlwollende und grundehrliche
Wedeln. Wie vorteilhaft sticht doch diese ihm von der Natur gegebene
Begrüßung ab gegen die Bücklinge und grinsenden Höflichkeitsbezeugungen
der Menschen, deren Versicherung inniger Freundschaft und Ergebenheit
es an Zuverlässigkeit, wenigstens für die Gegenwart, tausendmal übertrifft.
(W. II, 108.)
Wer nie einen Hund gehalten hat, sagt der Spanische Belletrist
Larra, weiß nicht, was lieben und geliebt sein ist. (P. I, 79.)
Für das Bedürfnis aufheiternder Unterhaltung und um der Einsamkeit
die Öde zu benehmen, sind die Hunde zu empfehlen, an deren
moralischen und Intellektuellen Eigenschaften man fast allemal Freude
und Befriedigung erleben wird. (P. II, 88.) Woran sollte man sich
von der endlosen Verstellung, Falschheit und Heimtücke der Menschen
erholen, wenn die Hunde nicht wären, in deren ehrliches Gesicht man
ohne Misstrauen schauen kann? (P. II, 225.) Der Hund ist der
alleinige wahre Gefährte und treueste Freund des Menschen, die kostbarste
Eroberung, wie Cuvier sagt, die der Mensch gemacht hat.
(P. II, 403, Anmerk. H. 349.)