Dogmen.
1) Einflusslosigkeit der Dogmen auf die Gesinnung.
Weil die Tugend, d. h. die Güte der Gesinnung, nicht aus abstrakter, begrifflicher Erkenntnis hervorgeht, so sind die abstrakten Dogmen ohne Einfluss auf die eigentliche Tugend; die falschen Dogmen stören sie nicht, und die wahren befördern sie schwerlich. Zwar auf das Handeln, das äußere Thun, können die Dogmen als Motive starken Einfluss haben; aber damit ist die Gesinnung nicht geändert. Motive können überhaupt nur die Richtung des Willens, nie ihn selbst ändern. Wie die Dogmen daher auch als Motive den Willen lenken mögen, ist dabei dennoch immer die wesentliche Beschaffenheit des Willens dieselbe geblieben. (W. I, 434 fg.)2) Eigentlicher Wert der Dogmen für die Moralität.
Die Dogmen haben für die Moralität bloß den Wert, dass der aus intuitiver Erkenntnis schon Tugendhafte an ihnen ein Schema, ein Formular hat, nach welchem er seiner eigenen Vernunft von seinem nicht egoistischen Thun, dessen Wesen er nicht begreift, eine meistens nur fingierte Rechenschaft ablegt, bei welcher er sie gewöhnt hat sich zufrieden zu geben. (W. I, 435.)
Bei guten Taten, deren Ausüber sich auf Dogmen beruft, muss
man immer unterscheiden, ob diese Dogmen auch wirklich das Motiv
dazu sind, oder ob sie nichts weiter als die scheinbare Rechenschaft
sind, durch die Jener seine eigene Vernunft zu befriedigen sucht, über
eine aus ganz anderer Quelle fließende gute Tat, die er vollbringt,
weil er gut ist, aber nicht gehörig zu erklären versteht. (W. I, 436.)