1) Warum tiefe Wahrheiten nicht auf dem Wege des
Dialogs zu Tage gefördert werden.
Zur eigenen ernstlichen Meditation verhält sich das Gespräch mit
einem Andern, wie eine Maschine zu einem lebendigen Organismus.
Denn nur bei ersterer ist Alles wie aus Einem Stück geschnitten;
daher es volle Klarheit, Deutlichkeit und wahren Zusammenhang, ja
Einheit erlangen kann. Beim anderen hingegen werden heterogene Stücke,
sehr verschiedenen Ursprungs, an einander gefügt und wird eine gewisse
Einheit der Bewegung erzwungen, die oft unerwartet stockt. Nur sich
selbst nämlich versteht man ganz; andere nur halb. Denn man kann
es höchstens zur Gemeinschaft der Begriffe bringen, nicht aber zu der
der diesen zum Grunde liegenden, anschaulichen Auffassung. Daher
werden tiefe, philosophische Wahrheiten wohl nie auf dem Wege des
gemeinschaftlichen Denkens, im Dialog, zu Tage gefördert werden.
(
P. II, 7.)
2) Wozu der Dialog dienlich ist.
Das gemeinschaftliche Denken, im Dialog, ist sehr dienlich zur
Vorübung, zum Aufjagen der Probleme, zur Ventilation derselben, und
nachher zur Prüfung, Kontrolle und Kritik der aufgestellten Lösung.
In diesem Sinne sind auch Platos Gespräche abgefasst. (
P. II, 7.)
3) Der geschriebene Dialog als Form der Mitteilung.
Als Form der Mitteilung philosophischer Gedanken ist der geschriebene
Dialog nur da zweckmäßig, wo der Gegenstand zwei, oder
mehrere, ganz verschiedene, wohl gar entgegengesetzte Ansichten zulässt,
über welche entweder das Urteil dem Leser anheim gestellt bleiben soll,
oder welche zusammengenommen sich zum vollständigen und richtigen
Verständnis der Sache ergänzen. Zum ersteren Fall gehört auch die
Widerlegung erhobener Einwürfe. Die in solcher Absicht gewählte
dialogische Form muss aber alsdann dadurch, dass die Verschiedenheit
der Ansichten von Grund aus hervorgehoben und herausgearbeitet ist,
echt dramatisch werden; es müssen wirklich Zwei sprechen. Ohne dergleichen
Absicht ist sie eine müßige Spielerei, wie meistens. (
P. II, 8.)