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Schopenhauers Kosmos

 

 Gedächtniskunst. (Mnemonik.)

Stets sucht, wer eine Erinnerung hervorrufen will, zunächst nach einem Faden, an dem sie durch die Gedankenassoziation hängt. (S. Gedankenassoziation.) Hierauf beruht die Mnemonik. Sie will zu allen aufzubewahrenden Begriffen, Gedanken, oder Worten, uns mit leicht zu findenden Anlässen versehen. Das Schlimme jedoch ist, dass doch auch diese Anlässe selbst erst wiedergefunden werden müssen und hierzu wieder eines Anlasses bedürfen. (W. II, 146.) Die Mnemonik beruht im Grunde darauf, dass man seinem Witze mehr, als seinem Gedächtnisse zutraut und daher die Dienste dieses jenem überträgt. Er nämlich muss einem schwer zu Behaltenden ein leicht zu Behaltendes substituieren, um es einst wieder in Jenes zurück zu übersetzen. Die Mnemonik verhält sich aber zum natürlichen Gedächtnis, wie ein künstliches Bein zum wirklichen. Es ist dienlich, sich ihrer bei neu erlernten Dingen, oder Worten, Anfangs zu bedienen, wie einer einstweiligen Krücke, bis sie dem natürlichen, unmittelbaren Gedächtnis einverleibt sind. Doch nimmermehr können bei der ungeheuren Menge und Mannigfaltigkeit des Stoffes die Operationen des natürlichen Gedächtnisses durch ein künstliches und bewusstes Spiel mit Analogien ersetzt werden, bei denen das natürliche Gedächtnis doch immer wieder das primum mobile bleiben muss, nun aber statt Eines gar Zwei zu behalten hat, das Zeichen und das Bezeichnete. Jedenfalls kann ein solches künstliches Gedächtnis nur einen verhältnismäßig sehr geringen Vorrat fassen. (P. II, 55 fg.)
Der Name Mnemonik gebührt nicht sowohl der Kunst, das unmittelbare Behalten durch Witz in ein mittelbares zu verwandeln, als vielmehr einer systematischen Theorie des Gedächtnisses, die alle seine Eigenheiten darlegte und sie aus seiner wesentlichen Beschaffenheit und dann aus einander ableitete. (P. II, 643.)