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Schopenhauers Kosmos

 

 Ehrlichkeit.

1) Ehrlichkeit existiert, aber als Ausnahme.

Wer alt ist, denke zurück an alle Die, mit welchen er zu tun gehabt hat; wie viele wirklich und wahrhaft ehrliche Leute werden ihm vorgekommen sein? Waren nicht bei Weitem die Meisten, trotz ihrem schamlosen Auffahren beim leisesten Verdacht einer Unredlichkeit, oder nur Unwahrheit, gerade heraus gesagt, das wirkliche Gegenteil? (W. II, 732.)
Es gibt in der Tat wahrhaft ehrliche Leute, — wie es auch wirklich vierblätterigen Klee gibt; aber Hamlet spricht ohne Hyperbel, wenn er sagt: Nach dem Laufe dieser Welt heißt ehrlich sein ein aus Zehntausend Auserwählter sein. (E. 191. 203.)

2) Wesen der wahrhaft ehrlichen Leute.

Diejenigen, die gerecht handeln einzig und allein damit dem Andern kein Unrecht geschehe, ja, denen gleichsam der Grundsatz, dem Andern sein Recht widerfahren zu lassen, angeboren ist, die daher Niemanden absichtlich zu nahe treten, die ihren Vorteil nicht unbedingt suchen, sondern dabei auch die Rechte Anderer berücksichtigen, die bei gegenseitig übernommenen Verpflichtungen nicht bloß darüber wachen, dass der Andere das Seinige leiste, sondern auch darüber, dass er das Seinige empfange, indem sie aufrichtig nicht wollen, dass, wer mit ihnen handelt, zu kurz komme — dies sind die wahrhaft ehrlichen Leute, die wenigen Aequi unter der Unzahl der Iniqui. (E. 203.)