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Schopenhauers Kosmos

 

 Allegorie.

1) Wesen der Allegorie.

In der Allegorie wird das Kunstwerk absichtlich und eingeständlich zum Ausdruck eines Begriffs bestimmt. Eine Allegorie ist ein Kunstwerk, welches etwas Anderes bedeutet, als es darstellt. Durch die Allegorie soll immer ein Begriff bezeichnet und folglich der Geist des Beschauers von der dargestellten anschaulichen Vorstellung weg, auf eine ganz andere, abstrakte, nicht anschauliche, geleitet werden, die völlig außer dem Kunstwerk liegt. Hier soll also Bild oder Statue leisten, was die Schrift, nur viel vollkommener, leistet. (W. I, 279 fg.)

2) Verwerflichkeit der Allegorie in der bildenden Kunst.

Da nun Zweck der Kunst Darstellung der nur anschaulich aufzufassenden Idee ist, und da das Ausgehen von Begriffen in der Kunst verwerflich ist (s. Kunst), so ist die Allegorie zu missbilligen. Die Allegorie ist in der bildenden Kunst ein fehlerhaftes, einem der Kunst ganz fremden Zweck dienendes Streben. (W. I, 279—281.)

3) Unabhängigkeit des Kunstwerts einer Allegorie von ihrer Bedeutung.

Für Das, was in der Allegorie beabsichtigt wird, ist keine große Vollendung des Kunstwerks erforderlich, da es hinreicht, dass man sehe, was das Ding sein soll. Hat daher ein allegorisches Bild außer seiner begrifflichen Bedeutung auch Kunstwert, so ist dieser von dem, was es als Allegorie leistet, ganz gesondert und unabhängig; ein solches Kunstwerk dient zweien Zwecken zugleich, nämlich dem Ausdruck eines Begriffs und dem Ausdruck einer Idee. Die reale und nominale Bedeutung sind in ihm zu unterscheiden. Die nominale ist das Allegorische als solches, z. B. der Genius des Ruhms; die reale das wirklich Dargestellte. Die reale Bedeutung wirkt nur so lange man die nominale, allegorische vergisst. (W. I, 280 fg.)

4) Zulässigkeit der Allegorie in der Poesie.

Wenngleich aber die Allegorie in der bildenden Kunst verwerflich ist, so ist sie doch in der Poesie zulässig und zweckdienlich. Denn in der bildenden Kunst leitet sie vom gegebenen Anschaulichen, dem eigentlichen Gegenstand aller Kunst, zu abstrakten Gedanken; in der Poesie hingegen ist der Begriff das Material, das unmittelbar Gegebene, welches man daher sehr wohl verlassen darf, um ein gänzlich verschiedenes Anschauliches hervorzurufen, in welchem das Ziel erreicht wird. In den redenden Künsten sind Gleichnisse und Allegorien zur Veranschaulichung von Begriffen von trefflicher Wirkung. (W. I, 283 fg.)
Wenn die poetische Allegorie bisweilen durch ein gemaltes Bild, eine Vignette unterstützt wird, so wird dieses darum doch nicht als Werk der bildenden Kunst, sondern nur als bezeichnende Hieroglyphe betrachtet. (W. I, 285.)
(Über eine Abart der Allegorie, das Symbol, s. Symbol).

5) Warum die Dinge reichen Stoff zu allegorischen Deutungen bieten.

Aus der Urverwandtschaft aller Wesen und der Tatsache, dass sie sämtlich einen ähnlichen Typus tragen und gewisse Gesetze, wenn nur allgemein genug gefasst, sich als die selben bei allen geltend machen, — wird es erklärlich, dass man nicht nur die heterogensten Dinge aneinander erläutern oder veranschaulichen kann, sondern auch treffende Allegorien selbst in Darstellungen findet, bei denen sie nicht beabsichtigt waren. Dieser universellen Analogie und typischen Identität der Dinge verdankt die Äsopische Fabel ihren Ursprung, und auf ihr beruht es, dass das Historische allegorisch, das Allegorische historisch werden kann. Mehr als alles Andere jedoch hat von jeher die Mythologie der Griechen Stoff zu allegorischen Auslegungen gegeben, weil sie dazu einladet, indem sie Schemata zur Veranschaulichung fast jedes Grundgedankens liefert, ja gewissermaßen die Urtypen aller Dinge und Verhältnisse enthält, welche, eben als solche, immer und überall durchscheinen. (P. II, 439 fg.)